Jugendarbeit - was ist das eigentlich?

von Utz Grimminger

Die Gewinnung und Förderung von Nachwuchs ist in jedem Zupforchester ein Thema. Dieser Artikel ist der Auftakt zu einer Folge von Artikeln, die sich mit dieser Thematik befassen – mit Jugendarbeit also. Als Einstieg dazu behandelt er die Frage, was denn Jugendarbeit überhaupt ist, und an welchen Stellen wir in unseren Aktivitäten im Verein oder im Landesverband mit ihr in Berührung kommen.

Der Begriff "Jugendarbeit" wird im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) definiert – dieser Gesetzestext ist besonders dann relevant, wenn es um Zuschüsse geht, soll aber hier auch als Ausgangspunkt für den Einstieg in die Thematik "Jugendarbeit" dienen.

Das KJHG definiert in seinem §11 Jugendarbeit wie folgt:

(1) Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.

(2) Jugendarbeit wird angeboten von Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend, von anderen Trägern der Jugendarbeit und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Sie umfaßt für Mitglieder bestimmte Angebote, die offene Jugendarbeit und gemeinwesenorientierte Angebote.

(3) Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören:
  1. außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung.
  2. Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,
  3. arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit,
  4. internationale Jugendarbeit,
  5. Kinder- und Jugenderholung,
  6. Jugendberatung.
(4) Angebote der Jugendarbeit können auch Personen, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, in angemessenem Umfang einbeziehen.

Zunächst ist für uns Absatz (3) interessant, der eine Aufzählung möglicher Inhalte von Jugendarbeit beinhaltet. Ein Blick auf tatsächlich in vielen Vereinen und Landesverbänden angebotene Aktivitäten zeigt, dass bereits etliche davon im Sinne des KJHG als Jugendarbeit verstanden werden können:

Wie man sieht, ist ein Großteil der Aktivitäten in den Vereinsorchestern und auf Landesverbandsebene eigentlich Jugendarbeit: fast die komplette Ausbildungsschiene, alle Jugendorchester, etliche Auslandskontakte, und zusätzlich noch manche Freizeitaktion in manchem Verein. In vielen Fällen allerdings konzentrieren sich die Aktiven - die Ausbilder, Dirigenten, Organisatoren usw. - ganz auf die rein fachlich musikalischen Inhalte ihrer Arbeit; die jugendbildnerischen Aspekte werden vernachlässigt.

Bevor hier auf eben diese jugendbildnerischen Aspekte der konkreten Jugendarbeit im BDZ näher eingegangen werden wird, soll zunächst näher untersucht werden, was denn eigentlich deren Sinn und Zweck ist. Dem KJHG zu Folge soll Jugendarbeit "zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen" (§11, Abs. [1]).

Wiesner, Kaufmann und Mörsberger führen dazu näher aus:

"JArbeit versteht sich als Feld sozialen Lernens, das jungen Menschen die eigenverantwortliche Entwicklung ihrer Persönlichkeit und das Hineinwachsen in die Gesellschaft erleichtert. Sie will die Fähigkeit zur verantwortlichen Beteiligung (Partizipation) junger Menschen am staatlichen und gesellschaftlichen Leben entwickeln und stärken (emanzipatorische Funktion) sowie individuelle und gesellschaftlich bedingte Benachteiligungen abbauen und damit mehr Chancengleichheit schaffen (kompensatorische Funktion). JArbeit erbringt sowohl erzieherische als auch Bildungsleistungen. Die Anforderungen an einen längerfristigen Erziehungsprozeß erfüllt jedoch nur die kontinuierlich stattfindende Gruppenarbeit (...)."

Dieser Text definiert, welche Aufgaben Jugendarbeit aus der Sicht des Staates und der Kommunen erfüllen soll. Allerdings sind die Anforderungen an die Jugendarbeit aus der Sicht der Jugendlichen und aus der Sicht der Vereine teilweise oder gänzlich verschiedene.

Aus der Sicht eines Vereinsorchesters steht im wesentlichen die Aufgabe im Vordergrund, junge Menschen für die musikalische Mitarbeit im Orchester zu gewinnen - von Werbung und Motivation über die fachliche Ausbildung bis zur Integration im Orchester. Flankierend dazu gibt es oft Freizeitangebote, um "den Nachwuchs bei der Stange zu halten". Üblicherweise sind die Strukturen der Vereine so gestaltet, dass auf die Interessen der Vereine ausgerichtete Jugendarbeit automatisch auch den Bedürfnissen von staatlicher und kommunaler Seite entspricht.

Aus der Sicht eines Jugendlichen dagegen stellt Jugendarbeit ein Freizeitangebot dar, das im wesentlichen Spaß machen soll. Weitere Kriterien für "gute Jugendarbeit" sieht ein Jugendlicher/eine Jugendliche aber auch z.B. darin, Gleichaltrige bzw. -gesinnte zu treffen oder einem Hobby nachzugehen, das dazu geeignet ist, das eigene Ansehen in der Peer Group – der "Clique" – zu steigern.

Alle drei Aufgabenstellungen haben ihre Berechtigung und müssen bei der tatsächlichen Umsetzung berücksichtigt werden, was häufig in einen Spagat mündet oder sich eben auch mal nicht realisieren lässt.

In aller Regel werden die Angebote für Jugendliche so ausgerichtet sein, dass sie den Aufgaben aus der Sicht des veranstaltenden Orchesters bzw. Landesverbandes entsprechen – das ist nur verständlich und auch völlig in Ordnung so. Problematisch wird es allerdings, wenn die Angebote nicht die Bedürfnisse der Jugendlichen befriedigen. Dann nämlich bleiben sie einfach weg – der berühmte und leider vielerorts bekannte "Nachwuchsmangel" ist die Folge.

Und hier liegt sehr oft der viel zitierte Hase im sprichwörtlichen Pfeffer – die Ausbilder sind fachlich sehr gut qualifiziert, der Verein engagiert, und dennoch reicht das Angebot "Mandoline lernen", "Gitarre lernen" oder "im Zupforchester spielen" nicht aus, um junge Menschen zu motivieren, daran teilzunehmen.

Doch nicht nur dieser erste Schritt, der Jugendliche in den Instrumentalunterricht, in den Verein bringt, ist problematisch. Wenn sie dazu gewonnen werden konnten, muss weitere Jugendarbeit dafür sorgen, dass sie "dabei bleiben".

In der Folge sollen die oben genannten typischen Formen von Jugendarbeit unter besonderer Berücksichtigung jugendbildnerischer Aspekte genauer unter die Lupe genommen werden.

Instrumentalausbildung

Der klassische und bei weitem häufigste Fall von Jugendarbeit in einem Zupforchester ist die Instrumentalausbildung; hier vermittelt eine Instrumentallehrerin/ein Instrumentallehrer im Einzelunterricht einem oder im Kleingruppenunterricht mehreren Jugendlichen kulturelle Bildung. Das Schwierige ist aber, Jugendliche für ein solches Angebot zu begeistern – bei der allgemeinen Praxis in Zupforchestern stehen die Interessen des Vereines im Vordergrund (was ja auch nicht falsch ist – sie brauchen schließlich Spieler-Nachwuchs). Die Jugendlichen dagegen sehen oft wenig Nutzen für sich im Erlernen eines Zupfinstrumentes. Das ist altbekannt und führt in der Diskussion regelmäßig zu den bekannten Lamentos über die "übermächtige Konkurrenz" wie z.B. Fernsehen, Videospiele oder Funsportarten. Doch das ist nur die halbe Wahrheit – die vorhandenen Vorteile (dazu gehören z.B. die unmittelbar persönliche Beziehung, will sagen die direkte Beschäftigung mit einem grundsätzlich wohlgesonnenen und zuhörenden erwachsenen Gegenüber außerhalb von Schule und Familie, die eine auf reinen Konsum ausgerichtete Freizeitbeschäftigung nicht bieten kann, oder das Erreichen von neuen Leistungsstufen und deren öffentliche Präsentation in Vorspielen) eines solchen Instrumentalunterrichts für Jugendliche werden zu oft nicht genutzt und herausgestellt. Auch werden diese Aspekte des Instrumentalunterrichts noch viel zu wenig im Studium oder in Ausbilderlehrgängen vermittelt.

Lehrgänge

Insbesondere die D-Lehrgänge sind Kerngebiete der Jugendarbeit im BDZ. Dass vereinzelt "Nicht-Jugendliche" teilnehmen, tut dieser Tatsache nach §11 Abs. (4) KJHG keinen Abbruch.

Der Vorteil, den solche Lehrgänge den Vereinen bieten, liegt auf der Hand, werden doch (zukünftige) Spielerinnen und Spieler über den Instrumentalunterricht im Verein hinaus fortgebildet.

Aber auch den Jugendlichen können Lehrgänge potenziell viele Anreize bieten – neue Leute und Umgebungen kennen lernen, ein paar Tage "auf eigene Füße gestellt" zu sein, usw. Damit kann ein solcher Lehrgang einen ähnlichen Stellenwert einnehmen wie ein mehrtägiges Zeltlager in anderen Bereichen. Dazu muss aber der Freizeitanteil auch geplant und gestaltet werden.

Jugendorchester, insbesondere Landesjugendzupforchester

Vereinsjugendorchester sind in der Regel Maßnahmen, bei denen die Vorteile sowohl für den Verein (Heranführen der SchülerInnen an das Orchesterspiel) als auch für die Jugendlichen (gemeinsame Aktivität mit Gleichgesinnten und -altrigen, Präsentation in Konzerten) auf der Hand liegen.

Landesjugendzupforchester dagegen bergen oft ein gewisses Konfliktpotenzial – sie sind für Jugendliche unmittelbar sehr attraktiv (der Stolz, für ein Auswahlorchester nominiert zu sein, regelmäßige Proben und Konzerte i.d.R. außerhalb der Heimatstadt, auch Reisen ins Ausland), die Vereine dagegen nehmen oft ihre Chance, dass durch ihre Jugend neue Impulse ins Orchester gebracht werden, nicht wahr und erleben die Landesjugendzupforchester ab und an gar als Bedrohung; sie befürchten, dass "ihre Jugend", die ja jetzt in einem "besseren" Orchester spielt, das Interesse verliert, weiterhin im Heimatorchester mitzuwirken. Und das passiert auch hin und wieder gerade dort, wo den Jugendlichen nicht die Möglichkeit gegeben wird, die neuen Erfahrungen in das Heimatorchester einzubringen.

Eine solche Gefahr wird insbesondere dort verstärkt, wo der organisierende Landesverband das Landesjugendzupforchester zu sehr als nach außen hin Leistung präsentierendes Ensemble und eben nicht als Maßnahme der Jugendbildung versteht.

Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit

Im Gegensatz zu den oben genannten Arten fachlich musikalischer Jugendarbeit bleibt dieser Aspekt bislang eher dem Zufall überlassen. In vielen Verein wird "ab und an" etwas organisiert, nur wenige bieten regelmäßige Angebote.

Statt dessen wurde in den letzten Jahren durch die Landes- und Bundesjugendleitungen der Jugend im Bund Deutscher Zupfmusiker (JBDZ) versucht, solche Aktivitäten auf Landes- oder gar Bundesebene zu organisieren. Die Ergebnisse waren meist deprimierend, da kaum Interesse zu bestehen schien.

Tatsächlich aber besteht es schon. Der geeignete Platz dafür aber ist entweder der Verein vor Ort oder allenfalls ein Zusammenschluss aus wenigen Vereinen in benachbarten Orten – warum sollte man auch teilweise einige hundert Kilometer reisen, um an einem Volleyballturnier teilzunehmen?

Hier sind die Vereine gefordert, solche Aktivitäten außerhalb ihres eigentlichen Kernbereichs anzubieten. Im Verein kann die Interessenlage schnell erkannt werden, Organisationsaufwand und Kosten bleiben auf einem niedrigen Niveau. Richtig angefasst, machen solche Freizeitaktionen den Kindern und Jugendlichen Spaß, und auch der Verein zieht Nutzen daraus, da die Bindung an ihn gestärkt wird. Handelt es sich bei solchen Aktionen um mehrtägige Veranstaltungen oder gar Reisen (Zeltlager, Skifreizeit), würden sie sinnvollerweise als "Kinder- und Jugenderholung" (§11 Abs. [3] Punkt 5) verstanden werden.

Internationale Jugendarbeit

Konzertreisen ins Ausland und die Beherbergung ausländischer Gastorchester sind beliebte Aktivitäten von Zupforchestern. Sofern Jugendorchester involviert sind, ergibt sich ganz von selbst internationale Jugendarbeit. Wichtig ist hier aber, dass ausreichend Gelegenheit zum Kennenlernen des Partnerorchesters und der entsprechenden Kultur gegeben wird; eine reine Konzerttournee widerspricht den Zielen internationaler Jugendarbeit.

Eine besondere Maßnahme internationaler Jugendarbeit ist das Europäische Jugendzupforchester (EGMYO) – hier arbeiten Jugendliche aus zahlreichen Ländern gemeinsam an einem musikalischen Projekt. Diese Idee ließe sich besonders in grenznahen Gebieten durchaus auch auf Vereinsebene umsetzen.

Multiplikatorenschulung

Unter Muliplikatorenschulung versteht man die Aus- und Weiterbildung von Menschen, die insbesondere auf Vereinsebene ihr Wissen weitergeben; die Multiplikatorenschulungen, die innerhalb des BDZ stattfinden, sind überwiegend Schulungen für Instrumentalausbilder, also die Ausbilderlehrgänge der Stufen C und B. Sie gehören mittelbar ebenfalls zur Jugendarbeit.

Oft allerdings beschränken sich diese Lehrgänge auf das Vermitteln von instrumentalen, methodischen und didaktischen Kenntnissen; jugendbildnerischen Aspekte wird nicht der nötige Platz eingeräumt – das ist natürlich mehr als schade, denn wo sonst könnte ein geeigneter Rahmen dafür sein?

Als Ersatz dafür wurden teilweise Jugendleiterseminare angeboten, die sich aber hauptsächlich auf allgemeine Kenntnisse und überfachliche Freizeitaktivitäten beschränkten. Bislang fehlen Multiplikatorenschulungen, die fachlich musikalische mit jugendbildnerischen Aspekten verbinden.

Fazit und Ausblick

Jugendarbeit ist auch im Zupforchester, auch im BDZ überall zu finden. Dieser Artikel versuchte, die wesentlichen Punkte unserer Jugendarbeit zu benennen, sowie einige Chancen, Konfliktfelder, Probleme und Defizite aufzuzeigen. In den nächsten Folgen dieser Reihe werden einzelne hier aufgeführte Punkte genauer betrachtet, Konzepte vorgestellt, Probleme analysiert und Lösungsvorschläge angeboten.

Erschienen im ZUPFMUSIK Magazin 3/2000 und in Intervalle 2/2000